Verlagswesen im Wandel
KEY FACTS
- Das mediale Konsumverhalten steht im direkten Zusammenhang mit dem technologischen Fortschritt und ist einen massiven Wandel unterworfen
- Insbesondere die mobile Echtzeitverfügbarkeit diverser Quellen, Personalisierung und Informationsaggregation spielen eine entscheidende Rolle – während sich soziale Medien und Suchmaschinen als primäres Zugangstor digitaler Informationen etablieren
- Kanalübergreifend ist auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen investigativer Berichterstattung, Contributed Content und Junk News als Ankerpunkt täglich wiederkehrender Leser zu achten – mithilfe von Contributed Content und Content Licensing können neue Monetarisierungsquellen erschlossen werden
- Das klassische Verlagswesen ist unter Zugzwang - die Auflagenstärke deutscher Tages- und Sonntagszeitungen fällt in den letzten 10 Jahre durchschnittlich um 4%, in Summe führt dies zu einem Gesamteinbruch von 35%, bzw. 7,9 Millionen Auflagen – Stillstand an der digitalen Front wird, gegeben der Geschäftsentwicklung und kontinuierlich steigender Kosten der Print-Produktion und -Distribution, mittelfristig in unternehmenskritische Realitäten führen
- Die Verankerung von Fähigkeiten zum Technologieverständnis und -management gilt neben der redaktionellen Leistungsfähigkeit der Verlage als kritischer Erfolgsfaktor von Modernisierungsvorhaben
- Der Einsatz von Technologie darf kein Selbstzweck sein, sondern muss vielmehr der Optimierung und Neubildung von Geschäftsmodellen dienen
- Cloud-Infrastrukturen und Software-as-a-Service-Ansätze erlauben einen hohen, funktionalen Abdeckungsgrad bei hoher Flexibilität und geringer Kostenstruktur, die von effizienter Datenerhebung und -analyse als Erfolgskomponenten abgerundet werden
- Das Verhältnis zwischen Verlag und Kunde wandelt sich von einer 1:n-Beziehung mit einem fixierten Angebot für zahlreiche Leser zu einer n:1-Beziehung mit auf individuellen Kundenbedürfnissen abzielenden Inhaltskombinationen
- Es gilt, eine Neuinterpretation der eigenen Identität als Verleger anzustoßen und die Positionierung als offener Plattformbetreiber eines kuratierten Journalismus zu prüfen
TECHNOLOGISCHE INNOVATION ALS GEBURTSSTUNDE DES MODERNEN VERLAGSWESENS
"Wenn das Fernrohr das Auge war, das den Zugang zu einer Welt neuer Tatsachen eröffnete und zu neuen Methoden, um diese Tatsachen zu ermitteln, dann war die Druckpresse das Stimmband." - Neil Postman
Mit der Erfindung des modernen Buchdrucks 1450 durch Johannes Gutenberg wurde die Verfügbarkeit von Information revolutioniert. Diese Technologie ermöglichte erstmals eine schnelle, kostengünstige und flexible Erstellung größerer Druckerzeugnis-Auflagen, welches langfristig eine gesellschaftliche Umwälzung bewirkte und das Zeitalter der Aufklärung einläutete. Da hierbei die Verteilung und Orchestrierung dieser Informationen erforderlich wurde, war dies ebenfalls die Geburtsstunden der Verlage im Sinne eines Vermittlers zwischen Angebot und Nachfrage – der Startpunkt eines stetigen Wachstums der fortlaufenden Diversifizierung und Spezialisierung in vielen Segmenten der Informationsdistribution.
Die nachfolgend einsetzende, strukturelle und technologische Entwicklung fortschreibend, mündet diese Innovation 500 Jahre später, in der früheren Nachkriegszeit in der Etablierung von mehr als 600 publizierenden Unternehmen und einer Auflage von 14 Millionen deutscher Tageszeitungen. Zu dieser Zeit gehört die Zeitung mit 7-9 Stunden Konsumzeit pro Woche, gleichgestellt mit dem analogen Fernsehen zu den Hauptinformationsquellen deutscher Bürger.
Mit dem Verlagswesen entwickelte sich, gerade beim Blick auf die journalistische Arbeit an den Printerzeugnissen, ein hoher Prozessreifegrad: Das über Jahre perfektionierte Zusammenspiel zwischen schreibender Zunft, dem Druck und der Distribution der Erzeugnisse hat in der Welt der Tageszeitungen eine ablaufoptimierte Choreografie geschaffen. Ritualisierte Arbeitsabläufe wie morgendliche Redaktionsrunden, Phasen der Recherche, die Sammlung und Orchestrierung der Inhalte und Anzeigen in der Blattplanung, der exakt terminierte Redaktionsschluss, die Übermittlung an die Druckerei und die Distribution bis auf die unterste Zustellebene sind noch heute Ausdruck dieses Prozessreifegrades – und eine bemerkenswerte Errungenschaft der Leistungsfähigkeit für die Komplexität der Wertschöpfungskette.
Auf Basis fortlaufender Technologieentwicklung und einhergehender Effizienzsteigerung konnte in den folgenden Jahrzehnten weiteres Potential erschlossen und hierdurch im Jahre 1983 ein Höchststand der Auflage deutscher Tageszeitung in Höhe von 30,1 Millionen erzielt werden. Zeitgleich bahnt sich mit dem Fernsehen und der wachsenden Anzahl an Informationskanälen jedoch der nächste technologische Wandel an, welcher sich, analog zum damaligen Buchdruck, disruptiv auf die bis dato etablierte Verlagsbranche auswirkt und die Ära dominierender Massenmedien einleitet. Ende des zwanzigsten Jahrhunderts positioniert sich das Fernsehen somit trotz des stetig steigenden Medienkonsums deutscher Bürger mit bis zu dreifach höheren Konsumzeiten gegenüber Zeitungen als ein hauptsächliches Distributionsmittel und das marktbeherrschende Medium.
TECHNOLOGIE ALS AUSLÖSER DES ZYKLISCHEN WANDELS
Beginnend mit dem Aufkommen der Personal Computer und des Internets als Revolution des globalen Informationszugangs begann sich das Konsumentenverhalten erneut maßgeblich zu verändern. Spätestens mit dem Smartphone, welches seit über einem Jahrzehnt zum täglichen Begleiter aller Bevölkerungsschichten geworden ist, sind die gesellschaftlichen Auswirkungen mit denen des modernen Buchdrucks gleichzusetzen und bringen massiven Veränderungsdruck für die Verlage mit sich.
Echtzeitverfügbarkeit von Informationen – jederzeit und überall
Obwohl bereits mit Radio und Fernsehen großflächige Echtzeit-Ausstrahlungen möglich waren und beide Erfindungen einen revolutionären Einfluss hatten, waren sie durch den unidirektionalen Informationsfluss und die Vergabe von limitierten Frequenzbändern gekennzeichnet. Ferner wurde eine umfangreiche Produktions- und Übertragungsausrüstung benötigt. Mit den aktuell vorhandenen Bandbreiten des Internets entfallen diese Hürden fast vollständig. Smartphones reichen aus, um einen weltweiten Austausch – nicht nur als Empfänger, sondern eben auch als Sender – zu ermöglichen. Die Produktion und Distribution digitaler Inhalte an eine weltweite Nutzerschaft war noch nie einfacher.
In diesem Zusammenhang führen die ubiquitär verfügbaren, multimediatauglichen Endgeräte zur Echtzeitverfügbarkeit von Informationen und Ihrer Vielfalt. Die Partizipation im öffentlichen Diskurs als Publizist ist somit innerhalb weniger Klicks, zu jedem Zeitpunkt und von fast jedem Ort der Welt möglich, egal ob in Form von Text, Bild, Ton oder Live-Video. Technologie ermöglicht die verzögerungsfreie Berichterstattung über viele Kanäle.
Ohne die Abhängigkeit eines physischen Mediums zur Vervielfältigung und Distribution werden Informationen, z.T. in Form eines öffentlichen Diskurses kreiert und global zur Verfügung gestellt. Stichworte wie “Trending News” und “Viralization” beschreiben einige der Effekte, welche im Umfeld der Online-Medien und digitaler Veröffentlichungen entstehen. Hierbei sind Metriken wie die Anzahl der Views, Likes und Shares üblicherweise die Gradmesser des Erfolges. Gemeinsam mit dem medialen Kurzschluss, der durch die Produktion des Kunden für Kunden entsteht, können Qualität und faktische Korrektheit einzelner Botschaften nachrangig behandelt werden, welches durchaus signifikante Herausforderungen birgt. Die unveränderliche Natur der Tinte auf Papier oder Druckstraße ist passé, stattdessen ist die Möglichkeit der nachträglichen Erweiterung oder Korrektur inhärenter Bestandteil digitaler Kanäle. Priorität hat die Aktualität der Nachricht, und obwohl das Internet nichts vergisst, verschwinden einzelne Botschaften schnell in der Masse an Meldungen.
Parallel zur Entwicklung rund um die Produktion von Inhalten von Kunden für Kunden ist ein sich drehendes Verhältnis der Beziehung zwischen den Verlagen als Anbieter und den Kunden zu beobachten: Während die alte Welt als 1:n-Beziehung charakterisierbar war (ein kompiliertes Angebot als Zeitung oder statische Webseite), ist es heute – zumindest online – eine n:1-Beziehung: Jeder Kunde kann spezifische Schwerpunkte setzen und bekommt ein auf ihn zugeschnittenes, individuelles Kundenerlebnis, von den Meldungen zum Tagesgeschehen bis zu interessensnahen Anzeigen.
Die nahezu unbeschränkte Anzahl an Informationsquellen und Arten – das Zeitalter von Personalisierung und Aggregation
Der nahezu unbeschränkte Zugang zu unterschiedlichen Informationsformen führt zeitgleich zur kontinuierlich steigenden Komplexität bei der Auswahl relevanter Nachrichten und vertrauensvoller Quellen, sodass ein Überangebot diverser Informationsarten entsteht – seien es kuratierte Nachrichten, Eilmeldungen, Social Media Beiträge, Instagram Posts oder Tweets. Auf der Suche nach dem persönlich relevanten und effizienten Mix greift der Konsument verstärkt auf die sich etablierenden Aggregatoren zurück. In der Wahrnehmung befragter Personen nehmen hierbei Google News, Apple News und Reddit News die Vorreiterrolle ein. Insbesondere die jugendliche Generation („Gen Z“) nutzt mit 38% die sozialen Medien oder mit 25% die Online-Suche als primäres Zutrittstor zu den jeweiligen Informationsquellen.
Neuinterpretation klassischer Berichterstattung – Contributed Content, Junk News und mehr
Im Zeitalter des nahezu unbeschränkten Informationszugangs und der oftmals anonymen Meinungsäußerung etabliert sich in den letzten Jahren verstärkt die Personengruppe eines Leserreporters, was thematisch unter dem Oberbegriff „Contributed Content“ zusammengefasst werden kann. Hierbei bieten Personen, welche im Gegensatz zu angestellten Journalisten keine medienspezifische Qualifikation vorweisen, den Print- und Onlinemedien eigenständig kreierte Texte, Bilder und Videos an. Die signifikante Erfolgsaussicht dieser Art der freien Berichterstattung kann statistisch nachgewiesen werden – 25% der Suchresultate der 20 größten Marken führen zu seitens des Kunden erstellten Artikeln, Webseiten mit integrierten Contributed Content verzeichnen eine um 20% gestiegene Anzahl wiederkehrender Nutzer. Speziell im Umfeld sozialer Medien führt die Strategie kundenseitig erstellter Inhalte zu einer bis zu 50% höheren Engagement Rate. Unter Berücksichtigung des zukünftig steigenden Informationskonsums via Social Media, Suchmaschinen und weiterer Aggregatoren gilt es, den kooperativen Umgang mit dieser Beitragsart zu prüfen und die Aufnahme als Element der eigenen Positionierung zu evaluieren. Hierbei ist das richtige Verhältnis zwischen dem investigativen, professionellen Journalismus und dem Anteil an sogenannten Junk News zu identifizieren. Hierzu gehören beispielhaft die Themengebiete „Promi-Klatsch“, Jo-Jo Nachrichten (sich tagtäglich ändernde Statistiken, z.B. aktuelle Börsenzahlen und Einspielergebnisse), Showgeschäft-Nachrichten (z.B. Filmpremieren), Jahrestag- und Sportnachrichten (z.B. „Sportgerüchte“). Die mediale Relevanz dieser Informationsart spiegelt sich ebenfalls in der Anzahl darauffolgender Interaktionen wieder – so führen die Junk News in Vergleich mit professioneller Nachrichterstattung zu bis zu 5-fach höheren Interaktionsraten und können als Ankerpunkt täglich wiederkehrender Leser dienen.
Das sich Technologie getrieben wandelnde Konsumverhalten betrachtend, beinhaltet der Grundsatz zukunftssicherer Geschäftsmodelle die erforderliche Schaffung sowohl erforderlicher Strukturen zur frühzeitigen Erkennung aufkommender Trends, als auch technischer Voraussetzungen zur flexiblen Adaption jeweiliger Marktausrichtung. Zur Sicherstellung langfristiger Wettbewerbsfähigkeit sollte dies als ein zyklisch pro-aktiver Prozess und weniger als ein irreguläres Transformationsprojekt positioniert werden.
EROSION KLASSISCHER GESCHÄFTSMODELLE DURCH TECHNOLOGISCHEN WANDEL
Die bis hierhin beschriebenen Veränderungen fokussieren überwiegend auf einzelne, mit Technologie zusammenhängende Effekte und sind in ihren Einzelheiten und Ausprägungen diskutabel – der mit der Digitalisierung einhergehende Wandel ist jedoch unausweichlich und hat bereits heute massive Auswirkung auf Verlage und ihr traditionelles, operatives Geschäft: Sowohl im Leser- als auch Anzeigenbereich gehen die Umsätze für Printerzeugnisse in der Fläche seit Jahren kontinuierlich zurück.
Hierbei fällt beispielhaft die Wachstumsrate (CAGR) verkaufter Auflagen deutscher Tages- und Sonntagszeitungen entlang der letzten 10 Jahre durchschnittlich um 4%. Dies führt zu einem Gesamteinbruch von 35%, bzw. 7,9 Millionen Auflagen. In Analogie hierzu fallen die Verluste bei den Anzeigen- (2009 – 2018: CAGR -4,84%) und Werbeumsätzen (2009 – 2019: CAGR -5,05%) innerhalb der Printsparte ähnlich aus.
Im Kontext der Brutto-Werbeumsätze aller Mediengattungen wird der beschriebene Negativtrend verstärkt deutlich. Einzig Zeitungen und Zeitschriften weisen 2019 in Vergleich zu 2018 einen abfallenden Verlauf auf, innerhalb des Online-Bereichs konnten die Umsätze zeitgleich um 7,9% gesteigert werden.
Die Entwicklung der Vertriebs- und Werbeumsätze zeigt: Traditionelle Geschäftsmodelle erodieren bereits heute in einer Geschwindigkeit, die ein sofortiges Handeln erfordert. Verlage müssen sich dem digitalen Wandel nicht nur öffnen, sondern ihn gestaltend vorantreiben, um nicht im Zuge sinkender Auflagen, geringerer Werbeeinnahmen, eingestellter Titel sowie einer Marktkonsolidierung zur Einstellung ihrer weiterhin gesellschaftlich bedeutsamen Aktivität gezwungen zu sein.
TECHNOLOGIE ALS TREIBER NEUER GESCHÄFTSMODELLE
Das Glück bevorzugt den Vorbereiteten – technologische Innovationen zahlen auf den Erfolg jener Unternehmen ein, welche sich kontinuierlich den sich verändernden Marktmechanismen anpassen und wissen, die entsprechenden Stellhebel anzupassen. Hierbei helfen objektive, quantitative Metriken, die sich aus Datenanalysen ableiten und wiederum voraussetzen, dass Unternehmen den Wert von Daten erkennen.
Bei aller Einigkeit über ihr Potential darf der Ruf nach moderner Technologie nicht zum zweckfreien Mantra werden. Technologie muss der Optimierung und Neubildung von Geschäftsmodellen dienen, mit denen die Verlage ihr Überleben sichern. Unabhängig, ob es nun um individuelle Abos, die Paywall oder die Schaltung von Anzeigen geht – Technologie ist Treiber und Werkzeug zugleich, niemals jedoch Selbstzweck. Dies haben auch jene technologieaffinen Organisationen verinnerlicht, die Markterfolge durch den folgenden Dreiklang zentraler Unternehmenswerte erzielen:
Technologie als Bestandteil übergreifender Unternehmensausrichtung
Bei einer zyklischen Neuausrichtung der Geschäftsmodelle auf den primär werttreibenden, digitalen Geschäftszweig gilt es die erforderlichen Anpassungen sowohl kulturell und strukturell als auch technologisch zu verankern. Diese Ebenen bedingen sich zwar gegenseitig, die technologische Basis wirkt sich jedoch in Ihrer stark reglementierenden oder befähigenden Art und Weise überproportional auf die definierten Erfolgsfaktoren aus.
Die im klassischen Verlagswesen angebotenen Technologien fokussieren sich historisch auf die Erstellung und Distribution von Printerzeugnissen und wurden entlang letzter Jahre um Funktionalitäten nachgelagerter Digitalisierung partiell erweitert. Digitale Inhalte unterliegen hierbei jedoch den print-getriebenen Prozessen und können somit nur eingeschränkt auf das heutige Konsumverhalten ausgerichtet werden. Diesem Widerspruch gilt es frühzeitig mit einer zu definierenden Strategie der Technologiemodernisierung entlang der treibenden Dimensionen der Modularisierung, Erweiterbarkeit, Standardisierung und Wartbarkeit zu begegnen. Zur verstärkten, internen Fokussierung auf die primären Kerngeschäftsbereiche und Minimierung technologischer Komplexität sollten ebenfalls die Software-as-a-Service und Managed-Service Ansätze geprüft werden.
Bei Etablierung einer internen Steuerungsinstanz bietet dieses Vorgehen den signifikanten Vorteil einer kostenoptimierten und bestmöglich auf das definierte Geschäftsmodell ausgerichteten Technologiebasis.
Prozesse und einzelne Technologiebausteine können in diesem Fall jederzeit modular und flexibel erweitert oder ausgetauscht werden, ohne die technologische Kernkompetenz intern zu verlieren oder sich in eine kritische Dienstleisterabhängigkeit zu begeben. Gleiches gilt, neben den Produktions- und Anzeigensystemen, ebenfalls für die ERP- und weitere Umsysteme. Durch eine zu prüfende Cloud-Auslagerung können Prozesse verschlankt, die Kostenstruktur reduziert und Personal fokussierter für wertschöpfende Tätigkeiten eingesetzt werden. Im Zusammenspiel dieser Maßnahmen entsteht das Potential die erforderliche Modernisierung mit Hilfe erreichter Kostenreduzierung zu subventionieren.
Bei Betrachtung der sich hochdynamisch verändernden Informationstechnologie besteht der kritischer Erfolgsfaktor dieses Modernisierungsvorhabens in der Verankerung notwendiger Fähigkeiten und dazugehöriger Technologiemanagementprozesse innerhalb der Unternehmensstruktur. Vorausschauendes adaptieren des technologischen Fortschritts erfordert die Verfügbarkeit passender Fähigkeiten und Kapazitäten, dies nicht nur innerhalb bestehender IT-Abteilungen. Gefordert ist ein umfassendes Verständnis für die Wirkmechanismen in der Führungsetage genauso wie bei den Verantwortlichen der Geschäftsbereiche. Zusammenfassend schafft ein wirksames Technologiemanagement die erforderlichen Rahmenbedingungen für ein vorrauschauendes Agieren und eine adaptive Marktausrichtung auf allen Ebenen des Unternehmens.
Agilität als rudimentärer Bestandteil übergreifender Unternehmenskultur
Wer in einem höchst dynamischen Umfeld wächst, der übernimmt Agilität als einen Kernbestandteil in den eigenen Modus Operandi. Einhergehend mit verändertem Konsumentenverhalten und den Möglichkeiten der Technologie bilden sich fortwährend neue Geschäftsmodelle heraus. Geschäftsmodelle agiler Unternehmen sind einer permanenten Evolution ausgesetzt, denn die Unternehmen sind bereit, Veränderungen nicht nur zu akzeptieren, sondern ebenfalls pro-aktiv zu initiieren.
Neue Konzepte werden so früh wie möglich mithilfe sogenannter Minimum Viable Products (MVPs) getestet. Weitere Anpassungen werden mithilfe A/B-Tests mit Kunden verprobt, um die erfolgreichsten Lösungen zu identifizieren. Der gesamte Entwicklungsprozess wird so früh wie möglich mit echtem Feedback von Kunden angereichert, selbst wenn dazu Produkte/Services herangezogen werden, die über einen deutlich reduzierten Leistungsumfang gegenüber dem finalen Produkt verfügen.
Unter Berücksichtigung aufkommender Technologien entsteht mit Hilfe der sich etablierender No- bzw. Low-Code Entwicklungsprinzipien eine neue Form kurzfristiger Produktgestaltung und flexibler Marktausrichtung, ähnlich den oben genannten Methoden. Unter Anwendung des Baukastenprinzips und dazugehöriger Drag & Drop-Bauweise können definierte Funktionalitäten und Prozesse erstmals effizient und aufwandsarm ohne tiefgreifende Programmierkenntnisse realisiert und weiterentwickelt werden. Somit können fachlich getriebene Strukturen, beispielsweise einzelne Verlags-Bereiche, verstärkt den Lebenszyklus von der Konzeptionierungsphase bis zur Umsetzung mit nur minimalen technischen Vorkenntnissen begleiten.
Auch wenn dieses Vorgehen auf den ersten Blick den klassischen journalistischen Tugenden der Null Fehlertoleranz widerspricht hat es doch keinen Einfluss auf die redaktionelle Sorgfalt, bietet jedoch in gleicher Art die erforderliche Agilität zur Sicherstellung langfristiger Wettbewerbsfähigkeit.
Datenanalyse als rudimentärer Bestandteil übergreifender Unternehmensstrategie
Digitalunternehmen fokussieren sich konsequent auf die Bedürfnisse der Kunden und deren Erlebnisse bei der Nutzung der angebotenen Lösungen. Leistungen werden kontinuierlich optimiert und dynamisch an die sich wandelnden Kundenbedürfnisse angepasst. Die Anpassung wird anhand von objektiven KPIs gemessen, bewerteten und gesteuert. Hierbei gilt es, den Wert erhobener Daten nicht nur zum Zwecke personalisierter Angebote bzw. Werbung, sondern als mandatorische Voraussetzung moderner Produktstrategie zu verstehen. Somit ist die Fähigkeit der Analyse und Ableitung entsprechender Handlungsempfehlungen eine geschäftsstrategisch kritische Komponente.
Unter der Zielsetzung einer datengetriebenen Unternehmensstrategie gilt es einerseits, bei Berücksichtigung sich verschärfender Datenschutzanforderungen die jeweils individuellen Kennziffern, bzw. Messpunkte beispielhaft in den Dimensionen der Nutzerführung, thematischer Präferenzen, regionaler Kundengruppen und persönlicher Merkmale zu definieren und die zur Erhebung und Analyse erforderliche Technologie zu identifizieren. Andererseits sollte eine datengetriebene Kultur als Kernbestandteil übergreifender Unternehmensstrategie positioniert werden.
Auf Basis etablierter Analyseverfahren sind es einerseits die voll automatisierten Prozesse zur Individualisierung digitaler Publikationen und zur gezielten Optimierung des Up-Selling / Conversion Rate Potentials, welche beherrscht werden müssen, andererseits die mit wissenschaftlichen Methoden durchzuführende Identifikation von Mustern und Akkumulationen als Grundlage für Managemententscheidungen zur Gestaltung neuer Produkte. In diesem Zusammenhang etablierte sich entlang letzter Jahre Artificial Intelligence (AI) als ein technisches, cross-industrielles Vehikel zur Erreichung definierter Zielsetzung.
Auf Grundlage einer Vielzahl zur Verfügung stehender, global anerkannter und offener Frameworks (z.B. PyTorch, Spark, TensorFlow) in unterschiedlichen Programmiersprachen (z.B. Python, SQL, Java, R, C/C++) genießt diese Technologie einen hohen Reifegrad und findet bereits in diversen Branchen eine pragmatische Anwendung. AI hilft sowohl bei der passgenauen Ableitung ausgerichteter Produktstrategien als auch bei der Aussteuerung der jeweils personalisierten Inhalte und Kundenkommunikation.
FAZIT - TECHNOLOGIE IST CHEFSACHE
Unabhängig von der Branche und dem Kontext digitaler Transformation gilt es, bei aller Agilität im weiteren Verlauf der Umsetzung, drei zentrale Vorgaben zu definieren und aufeinander abzustimmen, um die Potentiale innovativer Technologien und Geschäftsmodelle zu erschließen und positive Wertbeiträge zu sichern:
- Zentrales Leitbild zukünftiger Geschäftsmodelle
- Abgeleitete Zielarchitektur und Domänenmodell
- Umsetzungspriorisierung zu transformierender Kerngeschäftsbereiche
Die IT-Zentriertheit der beschriebenen Wandelprozesse darf nicht davon ablenken, dass der Erfolg vom synchronen Umbau der Abläufe und Organisation abhängt. Entsprechend ist dieser Bereich zu fokussieren, mit Aufmerksamkeit des Managements auszustatten und setzt die Bereitschaft voraus, althergebrachten Strukturen aufzubrechen. So ist beispielsweise das Technologiemanagement gleichwertig mit anderen Leitungsfunktionen auf oberster Entscheidungsebene zu verankern. Bei der Auswahl von Technologien und Dienstleistern ist neben der Passgenauigkeit zu den definierten Transformationsvorgaben, auf die erforderliche Modularität zur flexiblen Ausrichtung auf marktgetriebene Veränderungen zu achten.
In erster Näherung erlauben Cloud-Infrastrukturen und Software-as-a-Service-Ansätze bei interner Verankerung technologischer Steuerungskomponenten einen hohen, funktionalen Abdeckungsgrad bei höchster Flexibilität und geringer Kostenstruktur. Die Vielfalt verfügbarer Services darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass individuelle Entwicklungen Schlüssel für die erforderliche Differenzierung am Markt sind. Die Fähigkeit, selbst Software zu entwickeln oder die Entwicklung durch Dienstleister effektiv zu steuern werden somit entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit eines Verlages.
Zusammenfassend lässt sich beobachten: Technologie war und ist ausschlaggebend für die stetige Veränderung von Wertschöpfungsketten. Hierbei muss unterstrichen werden, dass der technologische Wandel weder umkehrbar noch ein temporärer Trend ist. Angesichts dieser Lage muss innerhalb des Verlagswesens großer Handlungsdruck konstatiert werden – Stillstand wird, gegeben der Geschäftsentwicklung und kontinuierlich steigender Kosten der Print-Produktion und -Distribution, mittelfristig in unternehmenskritische Realitäten führen. In diesem Kontext gilt es, eine mögliche Neuinterpretation eigener Identität als Verleger anzustoßen und sich als offener Plattformbetreiber eines kuratierten Meinungsaustausches zu positionieren. Insofern ist die Frage nicht ob, sondern auf welche Weise die Verlage reagieren sollten. Man wird im Hinblick auf die Notwendigkeit des aktiven Wandels innerhalb der Verlage unweigerlich an die Red-Queen-Hypothese erinnert, die gut mit einem Zitat aus Alice im Wunderland ausgedrückt: „Hierzulande musst du so schnell rennen, wie du kannst, wenn du am gleichen Fleck bleiben willst.“
QUELLEN
[1] CORE SE
[2] Statista
[3] Frankfurter Allgemeine Zeitung - Zeitungen in der Krise, Medienwandel und Internet
[4] VAUNET - Brutto Werbeumsaetze 2019
Unsere Autoren
Expert En - Artur Burgardt
Artur Burgardt is Managing Partner at CORE. He focuses, among other things, on the conceptual design and implementation of digital products. His focus is on identity management, innovative payment ...
Read moreArtur Burgardt is Managing Partner at CORE. He focuses, among other things, on the conceptual design and implementation of digital products. His focus is on identity management, innovative payment and banking products, modern technologies / technical standards, architecture conceptualisation and their use in complex heterogeneous system environments.
Read lessExepert EN - Kenneth Chu Sam
As a Transformation Director, Kenneth Chu Sam focuses on developing IT strategies that balance the demanding requirements of today's organisations with the benefits of modern technologies. Kenneth ...
Read moreAs a Transformation Director, Kenneth Chu Sam focuses on developing IT strategies that balance the demanding requirements of today's organisations with the benefits of modern technologies. Kenneth is a recognised specialist in managing highly complexity implementation projects based on cloud-native and microservice architectures. He completed his Bachelor's and Master's degrees at the Karlsruhe Institute of Technology (KIT), where he studied electrical engineering and information technology and further specialised in biomedical engineering.
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