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VISA lanciert Krypto-Settlement – Bereitet sich Visa auf eine Welt mit digitalem Geld vor?

Wichtigste Fakten

  • Kryptowährung befinden sich in einem seit Jahren fortwährenden Hype und finden zunehmend auch bei großen Unternehmen (z.B. PayPal, Tesla) Anwendung
  • Bislang bleiben Kryptowährungen jedoch meist Spekulations- und Investitionsobjekt und werden weniger als massentaugliches Zahlungsmittel genutzt
  • Visa kündigte jüngst als erstes großes Payment Scheme an, Transaktionen über die Ethereum Blockchain zu settleln
  • Das Pilotprojekt hat das Potential Kryptowährungen massentauglicher zu machen, ist aber derzeit noch eher experimentell einzuordnen
  • Bei hinreichender Skalierung dieser E2E-Krypto-Prozessierung sind jedoch – zumindest in der Theorie – signifikante Vorteile möglich

     

Hintergrund

Krypto-Crash Propheten und Fundamental-Analysten, die seit Jahren eine Blase im Kryptomarkt prognostizieren, blieben in den letzten Wochen auffällig zurückhaltend, denn die im Frühling 2020 begonnene Renaissance der Krypto-Assets hält weiter an und der Bullen-Markt scheint nicht enden zu wollen. Die Wechselkurse der großen Kryptowährungen jagen von Rekordhoch zu Rekordhoch, sodass bspw. die Marktkapitalisierungen von Bitcoin (ca. 920 Mrd. EUR) und Ethereum (205 Mrd. EUR) Dimensionen erreichen, wie sie bislang nur von globalen Konzernen bekannt waren. Zu diesem Hype und der damit verbundenen steigenden Verbreitung im Mainstream haben auch jüngste Entwicklungen bei Tesla und PayPal beigetragen. So ist es seit Ende März in den USA möglich bei Tesla Fahrzeuge mit Bitcoin zu bezahlen. Tesla bindet dafür keinen Payment-Dienstleister ein, sondern stellt die notwendige Infrastruktur für die Zahlung selbst zur Verfügung und hat dazu eine eigene Node in Betrieb genommen. PayPal bietet seinen Kunden seit Ende März den so genannten „Checkout with Crypto“ an. So können Kryptowährungen innerhalb des PayPal-Kontos gekauft und verkauft sowie nahtlos in Fiat-Währungen umgetauscht werden, um damit an PayPal Akzeptanzstellen zu bezahlen.

Trotzdem bleiben Kryptowährungen bislang vorwiegend Spekulations- oder Investitionsobjekt und sind weniger stark verbreitet als Mittel für das tägliche Bezahlen. Dies hat verschiedene Gründe: So ist z.B. die Volatilität am Kryptowährungsmarkt signifikant. Kursschwankungen im zweistelligen Prozentbereich innerhalb eines Handelstages sind bei Kryptowährungen keine Seltenheit. Daraus ergibt sich der Effekt, dass die Kaufkraft für Kunden nur schwer zu prognostizieren ist. Für Händler ergibt sich zudem die Schwierigkeit der Bepreisung von Waren auf Basis dieser Volatilität. Neben der Volatilität spielen aber noch immer Usability Aspekte und damit einhergehend die Marktdurchdringung eine wesentliche Rolle für die derzeit noch geringe Nutzung als Zahlungsmittel. Zwar hat sich die User Experience durch einfachere Wallet-Lösungen für Endkunden und Händler in den letzten Jahren deutlich verbessert, aber die Nutzung von Kryptowährungen als Zahlungsmittel (inkl. des vorher notwendigen Onboardings) ist für Krypto-Neulinge nicht unbedingt intuitiv. Dies führt zu einer derzeit noch geringen Reichweite, was wiederum bedingt, dass derzeit bei Zahlung mit Kryptowährungen typischerweise sehr früh im Abwicklungsprozess die jeweilige Kryptowährung in eine traditionelle Fiat-Währung umgewandelt werden muss, was zusätzliche Kosten und Komplexität in den Geschäftsprozessen verursacht. Andererseits ist es auch für die Händler, die Kryptowährungen halten und damit bezahlen wollen, unzufriedenstellend, da sie bspw. für die Bezahlung von Personal und Lieferanten in der Regel die erhaltenen Krypto-Währungen wieder mit den entsprechenden Kosten- und Aufwandsimplikationen in Fiat-Währungen umtauschen müssen.

Der Weg zur Massentauglichkeit

Um die genannten Herausforderungen der Volatilität zu begegnen, wurden s.g. Stable Coins entwickelt (z.B. Dai, Tether (USDT), USD Coin (USDC)): Bei diesen wird durch Hinterlegung der Kryptowährung mit einem äquivalenten Wert in Fiat-Währungen oder anderen Assets (z.B. Gold) eine Wechselkursschwankung, die in etwa der des jeweilig hinterlegten Basiswertes entspricht, erreicht. Die gleiche Wirkung wird zudem auch bei s.g. CBDCs (Central Bank Digital Currencies), also direkt von den Zentralbanken herausgegebene Digitalwährungen erreicht, indem diese in der Geldmenge der jeweiligen Leitwährung enthalten sind. Das Thema der Volatilität scheint also adressiert zu sein und wird zukünftig nicht den primären Treiber für eine zögerliche Marktakzeptanz von Kryptowährungen ausmachen.

In Hinblick auf die Kundenfreundlichkeit und Marktdurchdringung könnte dagegen die kürzlich vom Payment Scheme Visa annoncierte Implementierung eines Pilotprojektes einen wesentlichen Fortschritt bedeuten: Visa kündigte als erstes großes Payment Scheme an, den Stable Coin USDC zu verwenden, um Transaktion bei Visa-Händlern über die Ethereum Blockchain zu settleln. Dabei werden die Zahlungen zwischen dem Issuer und Visa als Scheme ohne Zwischenschritt über Fiat-Währungen abgerechnet. Für auf diese Weise abgewickelte Transaktionen mit Kryptowährungen wird damit die bisher aufwändige und kostenintensive Umrechnung in die jeweilige Fiat-Währung obsolet. Visa pilotiert diese Funktion gemeinsam mit Crypto.com.

Was sind Crypto.com und USDC?

Crypto.com ist fokussiert auf Krypto-Finanzdienstleistungen. Neben dem Kauf und Verkauf verschiedener Kryptowährungen ist wesentlicher Bestandteil des Produktportfolios eine Visa Prepaid-Karte, die es in verschiedenen Ausprägungen gibt, welche sich durch die inkludierten Mehrwertdienste (z.B. Cashback Programme und Einlagenverzinsung) unterscheiden.

USD Coin ist ein Stable Coin, welcher jederzeit 1:1 gegen den USD getauscht werden kann, womit der Coin über einen stabilen Preis verfügt. Dies wird garantiert durch Centre, das Konsortium, welches USDC emittiert und für jeden emittierten USDC einen USD hinterlegt. Diese Mittel werden auf einem speziellen Bankkonto hinterlegt, das regelmäßig durch externe Auditoren überwacht und überprüft wird.

Zahlungen mit Karten von Crypto.com

Bis dato wurden Zahlungen mit Karten von Crypto.com nur in Fiat-Währungen über das klassische 4-Parteien System gesettlelt. Das heißt konkret: Der Kunde zahlt beim Händler den Betrag in USD. Der Händler erhält über die Acquiring Bank den Betrag in USD aus dem Visa Net, nachdem Visa Net wiederum den zu zahlenden Betrag von der Issuer Bank – also Crypto.com – in USD erhalten hat. Der kritische Punkt bei Zahlungen mit Krypto-Währungen bestand bisher also darin, dass Crypto.com selbst die digitalen Währungen für das Settlement in eine traditionelle Fiat-Währung umwandeln muss. Dies verursacht zusätzliche Kosten und Komplexität in den Geschäftsprozessen.

Abbildung 1: Im Status Quo findet die Umrechnung in Fiat-Währung bei Crypto.com statt

In dem nun veröffentlichten Pilotprojekt ist genau dieser Schritt des Tauschens in Fiat-Währung für Crypto.com nicht mehr notwendig. Ein Kunde, der seine Visa Karte mit USDC aufgeladen hat (der Transfer von Guthaben auf die Karte und der Tausch von Fiat- in Kryptowährungen wird in der Crypto.com App ermöglicht), kann bei jedem Visa-akzeptierenden Händler mit USDC bezahlen. Visa verwendet diese USDCs, um das Settlement Richtung Händler durchzuführen und muss hier nicht mit dem „herkömmlichen“ Banksystem/Fiat System settleln. Dies wird ermöglicht durch eine weitere, exklusive, Visa Partnerschaft mit Anchorage – genauer der Anchorage Digital Bank National Association. Dabei handelt es sich laut eigener Aussage um „…the first federally-chartered digital asset bank - regulated by the OCC on the same footing as other national banks”. Hierzu werden die USDC von der Karte des Kunden in den Account bzw. die Ethereum Adresse von Visa bei Anchorage über die Ethereum Blockchain transferiert. Die Händler werden weiterhin in ihrer lokalen Währung bezahlt.

Abbildung 2: Im neuen Pilotprojekt sind zusätzliche Intermediäre in den Settlement Prozess involviert

Die eigentliche Neuerung besteht also darin, dass Visa die Ethereum Blockchain zum Settlement der Transaktion in USDC nutzt. Dabei werden Transaktionen zunächst intern im Visa-Netzwerk stattfinden. Am Tagesende wird Visa eine einzige, gebündelte Transaktion auf der Ethereum Blockchain durchführen, die die Salden der beteiligten Institute aktualisiert. Dieses Batch-Processing/Settlement ist bedingt durch die gegenwärtig hohen Gebühren für Transaktionen auf der Ethereum Blockchain. Perspektivisch wäre jedoch denkbar, das Settlement durch eine Ethereum Layer 2 Payment Lösung durchzuführen, also einen auf hohe Transaktionszahlen und -geschwindigkeiten für den Zahlungsverkehr optimierten Ableger von Ethereum. Das hätte den Vorteil, dass kein Batch-Settlement, sondern ein „real-time“ Settlement möglich wäre, sodass Händler durch einen unmittelbaren Liquiditätseingang profitieren. Auf dieser Technologiebasis bereits produktive Lösungen, z.B. von zkSynch, erreichen hier Kapazitäten von bis zu 2.000 Transaktionen pro Sekunde (zum Vergleich Visa ist über das Fiat Netzwerk in der Lage 24.000 Transaktionen pro Sekunde abzubilden; wobei die durchschnittliche Auslastung bei 1.700 Transaktionen pro Sekunde liegt). Technologische Basis sind hier s.g. Zero Knowledge Rollups, auch ZK-Rollups genannt, die Hunderte von Übertragungen außerhalb des Ethereum Mainnets bündeln und settleln und einen kryptografischen Beweis der Gültigkeit dieser Transaktionen erzeugen. Dieser wird danach auf dem Mainnet veröffentlicht. Durch diese zeitweise Entkopplung vom Ethereum Mainnet verringern sich Kosten für das Settlement einzelner Transaktionen bei gleichzeitiger Erhöhung der Geschwindigkeit der Transaktion.

Synthese und Ausblick

Die über die Ethereum Blockchain gesettlelten Transaktionsvolumina werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nur einen Bruchteil des gesamten Visa Transaktionsvolumens ausmachen. Nichtsdestotrotz hat dieses Pilot Projekt Potential, Zahlungen mit Kryptowährungen massentauglich(er) zu machen. Der Pilot soll im Laufe des Jahres auf andere Visa Partner ausgerollt werden, was ein starkes Signal für die Adaption von Blockchain-Technologie im Mainstream bedeuten kann. Abgesehen von der oben genannten technologischen Perspektive einer Layer 2 Payment Lösung, wäre auch eine strategische Erweiterung denkbar: Zukünftig wäre es für Visa möglich, weitere Vermögenswerte über die Ethereum Blockchain zu settleln, z.B. ein krypto-natives Settlement für Währungen wie DAI (weitere auf USD basierende Stable Coin) oder WBTC (Wrapped Bitcoin) zu ermöglichen und so die Flexibilität des Produktangebots für die Händler in ihrem Zahlungsnetzwerk zu verbessern. Diese Schritte könnten krypto-nativen Unternehmen helfen, grundlegend neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, ohne dass sie in ihren Treasury- und Abwicklungsabläufen auf traditionelle Fiat Währungen angewiesen sind.

Insgesamt ist die Visa Initiative derzeit allerdings noch eher experimentell einzuordnen und es bleibt abzuwarten, ob diese Art der Prozessierung nachhaltig zu größerer Adaption führt oder ob es bei einem technologischen Durchstich ohne steigende Marktakzeptanz bleibt. Derzeit ist die Prozessierung noch nicht vollständig Krypto-End-to-End, denn dafür müssten auch auf der Acquirer Seite Kryptowährungen akzeptiert werden. Die Zeit, wird zeigen, wann diese End-to-End Prozessierung marktreife erlangt.

Doch auch unabhängig davon könnten sich die Bemühungen für Visa auszahlen: Die gesammelten Erfahrungen könnten für mögliche massentaugliche Umsetzungen von Central Bank Digital Currencíes (CBDC) hilfreich sein. Sollte sich die viel diskutierten Ideen eines digitalen Euro beispielsweise materialisieren, so könnte Visa in erster Reihe stehen, wenn es darum geht, dass bestehende Netzwerk zu nutzen, um massentaugliche Anwendungsfälle zu konzipieren. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass auch andere große Payment Schemes diesem Beispiel folgen werden.

Quellen

https://coinmarketcap.com/de/

https://www.cnbc.com/2021/02/08/tesla-buys-1point5-billion-in-bitcoin.html

https://www.tesla.com/support/bitcoin

https://www.spiegel.de/netzwelt/apps/bitcoin-paypal-fuehrt-bezahlen-mit-kryptowaehrungen-ein-a-0eeaae39-8485-4f21-aa1b-f2bcd89f2709

https://usa.visa.com/visa-everywhere/blog/bdp/2021/03/26/digital-currency-comes-1616782388876.html

https://crypto.com/cards

https://techcrunch.com/2021/03/29/visa-supports-transaction-settlement-with-usdc-stablecoin/?guccounter=1&guce_referrer=aHR0cHM6Ly93d3cuZ29vZ2xlLmNvbS8&guce_referrer_sig=AQAAAN6dqSPTbZmN_9dpGwl-BfcFztEIAQs3pKl2ys_61p-y5GOmDnNl3djmBQnkrJRrQOhAZRUmULs9r6sFIDHPtiZQ_v677mUFYtPR9hZmzsEKmcjwMdeAglQdVn3ZUT-Yi6RTGy_goEpNrVYk8Qfkhx_vUEPfZxZubExZZgBipn5j

https://www.circle.com/en/usdc

https://www.centre.io/usdc-transparency

https://anchorage.com/services/custody

https://www.theblockcrypto.com/post/99639/visa-now-settles-payments-in-usdc-stablecoin-ethereum

https://cointelegraph.com/news/crypto-com-becomes-a-principal-member-of-the-visa-network

https://usa.visa.com/run-your-business/small-business-tools/retail.html

https://ethereum.org/en/developers/docs/layer-2-scaling/

https://zksync.io/faq/tech.html#zk-rollup-architecture

https://coinmarketcap.com/headlines/news/ethereum-on-pace-to-settle-over-1-trillion-in-transactions-in-2020-analyst/

https://www.federalreserve.gov/econres/notes/feds-notes/preconditions-for-a-general-purpose-central-bank-digital-currency-20210224.htm

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Dominik Siebert is Managing Partner at CORE and has extensive experience in complex transformation projects in the financial industry, from strategic conceptualisation to implementation management. At CORE, Dominik focuses on projects for the development and strategic positioning of digital payment solutions.

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