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Greenfield-Transformation in der Finanzindustrie – 5 kritische Erfolgsfaktoren

KEY FACTS

  • Hohe Dringlichkeit umfassender IT-Transformation angesichts Legacy und Kosten
  • Innovatives Vorgehensmodell berücksichtigt 5 Dimensionen für erfolgreiche Umsetzung komplexer Transformationsvorhaben
  • Use Case zeigt Zusammenspiel der einzelnen Elemente

REPORT

Im Management etablierter Unternehmen werden Ansätze zur Bereitstellung von mehr Funktionalität zu geringeren Budgets in kürzeren Zeitabständen oft diskutiert, aber selten erfolgreich umgesetzt. Die Ursachen für das Misslingen – zumindest ein mangelndes Gelingen – entsprechender Vorhaben lassen sich nicht auf allgemeine (z.B. Unternehmensgröße) oder auch nur wenige Faktoren zurückführen; zudem spielen unternehmensspezifische Gründe eine Rolle. Klar ist, dass ein erfolgreiches Vorgehen an verschiedenen Stellen ansetzen muss, soll nicht der gesamte Antritt relevanter Innovation im Kern aufgegeben werden.

Aber wie sollen die bekannten und wiederkehrenden Themen der Management-Diskussionen geordnet werden? Neben den stärker IT-getriebenen Themen wie Make-or-Buy (Standard- vs. Individualentwicklungen)-Entscheidungen und agile Vorgehensmodelle geht es typischerweise um flankierende Veränderungen der Organisation (in Aufbau, Prozessen und Kultur), die offene Frage der Erschließung neuer Geschäftspotenziale oder -ausrichtungen sowie um Kosteneffizienz.

Am Beispiel eines gelungenen –respektive gelingenden – Transformationsvorhabens im unternehmenskritischen Geschäfts- und IT-Bereich einer Versicherung lässt sich verdeutlichen, welche Faktoren unserer Beobachtung nach für den Erfolg maßgeblich sind:

 

  1. Strategie in eine klare Projektvision überleiten
  2. Agiles Vorgehen fördern
  3. Die bestehende Organisation befähigen
  4. Innovation vor Tradition stellen
  5. Moderne Technologien einsetzen

 

1. Übergeordnete strategische Ziele in eine klare Projektvision überführen

 

In der Strategie-Phase sind mit dem entwickelten IT-Architekturzielbild – unter Einbezug von Markt- und Produktanalysen – sowie übergeordneten Anforderungen die Programmziele zu definieren. Im konkreten Beispiel konnten bereits mit der ersten Produktivsetzung sowohl Endkunden als auch interne Benutzer in den Dimensionen Automatisierung, Convenience und Geschwindigkeit Vorteile realisieren. Die definierten Programmziele wurden in Zusammenarbeit der heterogen besetzten Teams, bestehend aus internen Mitarbeitern mit fachlicher Expertise und externen Entwicklungsdienstleistern im Nearshore-Bereich, erfolgreich umgesetzt.

Als großer Vorteil erwies sich hierbei, eine gestufte Programmvision heruntergebrochen auf die einzelnen domänenbasierten Module anzuwenden. Die langfristige Zielsetzung ermöglichte, aufkommenden Diskussionen um den Scope der mittelfristigen Umsetzung eine Richtung zu geben.

2. Agiles Vorgehensmodell abstimmen und fördern

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Abbildung 1: Duale Governance im Gesamtvorhaben

 

Scope und Umfang eines historisch gewachsenen Altsystems in ein Neusystem zu transformieren, stellt bei IT-Transformationen eine große Herausforderung dar. Das Requirements Engineering auf logisch sinnvolle Geschäftsvorfälle zu fokussieren und Fachdomänen adäquat zur Umsetzung abzugrenzen, ist hierfür elementar. Oft liegt keine konsolidierte Wissensbasis des Altsystems vor, die Dokumentation ohne nutzbar einsetzende Lerneffekte zur weiteren Entwicklung des Systems ist nicht sinnvoll.

Zur Lösung dieser Herausforderungen bieten sich agile Vorgehensmodelle an. Durch Adjustierung der Projektmanagement-Prinzipien hin zur Fixierung von Budget, Zeit und Qualität sowie zur konsequenten Priorisierung des Scopes wurde auch im konkreten Beispiel das agile Projektmanagement konsequent angewandt. Um gleichzeitig den kommunikativen Aufwand und die Notwendigkeit zur konzeptionellen Vorarbeit für die Implementierung auszutarieren, wurde eine duale Governance von Konzeption und Realisierung gewählt. Sie konnte sowohl der Agilität des Projekts als auch
der Organisation Rechnung tragen.

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 Abbildung 2: Konext fachlicher Anforderungen und IT-Spezifikationen

 

Damit wurden IT und Business miteinander verschränkt, gleichzeitig wurden die organisatorischen Anforderungen an die Steuerung des Projekts erfüllt. Grundlinien in übergreifend klassischen Organisationsstrukturen wurden festgelegt, Inhalte und übergeordnete Business-Logiken harmonisiert, während in der Realisierung die Agilität ihre Vorteile ausspielen konnte.

Im weiteren Verlauf wurden initiale Fachkonzepte auf die jeweiligen Anwendungsbereiche zugeschnitten, technologische Architekturleitlinien, Tools und Qualitätsstandards verfeinert. Beginnend mit der Erfassung unternehmensweiter Themen und Epics als grobe Cluster der Anforderungsbeschreibung wurden diese mittels User Stories auf fachliche Domänen und Microservices präzisiert.

 

Eine freie Skalierung der Entwicklerkapazitäten mit Unterstützung der jeweiligen Business Analysten und Teams Leads im definierten Vorgehensmodell ließen das Projekt im Verlauf auf über 60 Mitarbeiter anwachsen. Dabei konnte die Realisierung entsprechend parallelisiert und somit die Umsetzungsgeschwindigkeit gesteigert werden. Die kontinuierliche Priorisierung und Re-Priorisierung des erstellten und ständig anwachsenden User Stories-Backlogs in den jeweiligen Modulen sicherte die Zielerreichung des notwendigen Scopes im Zeitrahmen unter Einhaltung der definierten Qualitätsrichtlinien.

3. Die bestehende Organisation mitnehmen und befähigen

Essenziell für den Erfolg des Vorgehens ist, die Transformation nicht unabhängig von der bestehenden Organisation durchzuführen (geschweige gegen sie). Es wurde von Anfang an Teil der DNA des Projekts, die bestehende Organisation mit auf die Reise zu nehmen und sie in die Veränderungen zu involvieren. Das gelang einesteils durch die kontinuierliche Mitwirkung interner Kräfte auf allen Ebenen. Andernteils konnte auf kultureller Ebene die Bereitschaft gefördert werden, die prinzipielle Unabgeschlossenheit der Software und Applikationen zu erkennen und demgegenüber die offene Entwicklung mitzugestalten.

4. Innovation vor Tradition stellen

Logiken, Prozesse und Funktionalitäten in Frage zu stellen ist notwendig, um Klarheit im Denk- und Entwicklungsprozess über die Ziele und die dafür möglichen und erforderlichen Instrumente zu erlangen.

Das Geschäftsmodell, die Frage, wie und womit wirtschaftlicher Erfolg hervorgebracht werden soll, wurde zur Grundausrichtung vollständig und widerspruchsfrei erarbeitet. Abgeleitet davon wurde die Prämisse der vollständigen Fokussierung auf den Kundennutzen in Geschwindigkeit, Flexibilität und Service angewendet. Die notwendigen Ableitungen für die Gestaltung der neuen IT-Anwendungslandschaft waren mitunter aufwendig, aber im Ergebnis notwendig.

Veraltete Logiken in der Produkt- und Vertragsdefinition, sedimentierte Prozesse auf Basis rückständiger Technologien und rudimentäre Geschäftsvorfälle, die als Grundvoraussetzung für den Einsatz der neuen Plattform gelten, wurden im Vorgehen dauerhaft durch innovative Ansätze in Frage gestellt und optimiert. Dabei musste stets der Kern der eigentlichen Inhalte extrahiert und im Kontext des Kundennutzens und der Möglichkeiten moderner Technologien betrachtet werden. Somit konnten nicht nur Innovationen erdacht, sondern auch in Form praktischer Anwendungsfälle verständlich an die Mitarbeiter kommuniziert werden. Die abschließende Ableitung für das Versicherungsunternehmen im Sinne einer Weiterentwicklung der Aufbauorganisation konnte durch die tatsächliche Realisierung an Glaubwürdigkeit gewinnen.

5. Moderne Technologien und Entwicklungsparadigmen einsetzen

Bereits in frühen Stadien ist vorauszusetzen, dass Technologie und Architektur die Anforderungen Flexibilität, Sicherheit und ständige Weiterentwicklung nicht nur erfüllen müssen, sondern diese auch maßgeblich unterstützen sollen.

Im Projekt wurde konkret eine hoch individualisierte Plattform mit standardisierten Komponenten als optimal zur Abbildung der Geschäftsbedarfe des Klienten identifiziert. Daher wurde eine Microservice-Architektur mit einer Event-getriebenen Datenhaltung konzipiert, die hohe Flexibilität und Agilität bietet. Die anhand fachlicher Domänen mit definiertem Funktionsumfang und eigener Datenhaltung definierten Microservices sind voneinander entkoppelt und erlauben daher einen hohen Grad an Modularität, Wart- und Austauschbarkeit. Die fachliche Trennung der Services ermöglicht eine intensive Weiterentwicklung durch voneinander unabhängige Entwicklerteams mit entsprechender Ressourcenflexibilität. Die Integration der standardisierten und übergreifend operablen Komponenten wurde kontinuierlich umgesetzt.

Für den Betrieb wurde durch konsequenten Einsatz moderner OpenSource und Cloud-basierter Ansätze (z.B. Docker und Kubernetes) die Grundlage für eine exzellente Performance, Skalierbarkeit und Verfügbarkeit sichergestellt.

Kurze Innovationszyklen bei hoher Reaktionsgeschwindigkeit und Agilität in einem dynamisch individuellen Markt sind aus Kundenperspektive ein klarer Wettbewerbsvorteil. Durch konsequente Nutzung neuer Entwicklungsparadigmen und Einsatz modernster Technologien sind Releases und Live-Setzungen nahezu automatisiert in Echtzeit durch Continuous Delivery und Deployment möglich. Somit können für den Kunden und die Weiterentwicklung des Systems neue Funktionalitäten kontinuierlich in iterativen Zyklen produktiv gesetzt werden. Dies ermöglicht eine an die Bedarfe schnell anpassbare Weiterentwicklung des Systems.

Regulatorischen Anforderungen wurde in hohem Maße durch die transparente Event-getriebene Kommunikation Rechnung getragen. Sämtliche Veränderungen an Stamm- und Bewegungsdaten im System sind historisiert, d.h. mit Datum und Urheber gekennzeichnet – bei Rekonstruierbarkeit und Dokumentation vorheriger Zustände. Für den Bereich Business Intelligence und Reporting ermöglicht dies maximale Gestaltungs- und Freiheitsgrade beim Lesen, Auswerten und Interpretieren der Daten. Damit herrscht auch eine zukunftssichere Flexibilität in Hinblick auf künftige Reports und Anforderungen.

FAZIT

Angesichts veraltender Technologien ist eine umfassende Transformation bestehender IT-Anwendungslandschaften in großen Teilen der Finanzindustrie ebenso notwendig wie herausfordernd. Die Gründe für diese Notwendigkeit liegen in der verbreiteten technologischen Limitierung der Altsysteme sowie einem nicht mehr tragbaren Kosten-/Nutzen-Verhältnis in Betrieb und Weiterentwicklung insbesondere mit Blick auf die antizipierten zukünftigen Anforderungen des Markts. Der in dieser Ausgangslage strukturell überproportional notwendige Aufbau von Kapazitäten für Regulatorik- und Prozesssicherheit stellt eine zusätzliche Belastung respektive Motivation für eine umfassende Transformation dar.

Die hohe Komplexität der Aufgabenstellung erzwingt besondere Maßnahmen, insbesondere der erfolgreichen Verzahnung der beschriebenen Erfolgsfaktoren. Aus dieser Verzahnung heraus kann das Gelingen der Transformation zwar nicht sichergestellt werden; aber die Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Umsetzung kann zumindest deutlich gesteigert werden, wie unsere Erfahrungen zeigen.

Unsere Autoren

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Artur Burgardt

Artur Burgardt
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Artur Burgardt ist Managing Partner bei CORE und spezialisiert auf das Management agiler Umsetzungsprojekte in komplexen Kontexten. Als ausgebildeter theoretischer Physiker sammelte er erste Berufs...

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Artur Burgardt ist Managing Partner bei CORE und spezialisiert auf das Management agiler Umsetzungsprojekte in komplexen Kontexten. Als ausgebildeter theoretischer Physiker sammelte er erste Berufserfahrung als Business Analyst bei großen Finanzdienstleistern und erwarb grundlegende Kenntnisse in der Entwicklung von Kernbankensystemen. Dieser Karriereschritt führte ihn zu CORE. Mit seinem umfangreichen Wissen verantwortet Artur neben den Projekten bei Klient:innen das Knowledge Management bei CORE.

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