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Modulares Banking – Mit welcher Strategie E-Commerce-Unternehmen in den Markt für Finanzdienstleistungen drängen

KEY FACTS

  • E-Commerce-Strategien auf Basis Handel, Logistik und Payment Services

  • Payment Services als eigenständiger Wachstumstreiber im E-Commerce

  • Amazon Payments, PayPal, Yapital und Alipay

  • E-Commerce-Unternehmen als Vorreiter technologiegetriebener Banking und Financial Services

REPORT

Die Strategie der großen Akteure im E-Commerce umfasst weit mehr als den Warenhandel. Amazon, eBay, Otto und das chinesische Alibaba formulieren eine umfassende Lösung, die neben dem Warentausch über Handelsplattformen und Marktplätze zugleich Lagerung und Transport der Waren sowie Möglichkeiten zur Bezahlung bietet. Insbesondere die Payment Services ragen hier heraus, da sich ihre Rolle gewandelt hat von einer Unterstützung des Handels hin zu einem eigenständigen Wachstumstreiber. Aktuell stehen die E-Commerce-Unternehmen davor, den nächsten konsequenten Entwicklungsschritt zu gehen: Sie erweitern ihr Portfolio um Produkte für die Konsum- und Unternehmensfinanzierung, zum Teil bereits um Anlageprodukte. Sie bauen damit gezielt Lösungen im Bereich Banking und Financial Services auf.

Die Strategie der international führenden E-Commerce-Unternehmen baut auf drei Säulen auf: Handel, Logistik und Bezahlverfahren. (Daneben spielt das Risikomanagement eine wichtige Rolle, zum Teil werden auch Shopsysteme einbezogen.) Die Integration dieser Bereiche zu einem umfassenden Service bietet den an einem Geschäft beteiligten Parteien “ Händlern und Verbrauchern “ einen großen Vorteil. Mit diesen Bereichen wird ein großer Teil der Wertschöpfungskette von Angebot und Nachfrage über Versand und Lieferung bis zu Bezahlung und Erhalt der Bezahlung abgedeckt.

 

Mit diesem integrierten Angebot von Warenhandel, Logistik und Payment schaffen die E-Commerce-Unternehmen Handlungsoptionen für Händler und Verbraucher insbesondere in drei Hinsichten:

  • Sie ermöglichen es mit ihren Plattformen und Marktplätzen, jederzeit jedes Gut kaufen respektive veräußern zu können. Die Diversifizierung der Marktplätze dient dazu, unterschiedliche Zielgruppen zueinander zu bringen.

  • Sie schaffen durch die Logistik die Möglichkeit, überall schnell Güter zu erhalten respektive sie zu versenden.

  • Sie ermöglichen über Payment Services, überall einfach und schnell bezahlen respektive eine Zahlung erhalten zu können.

Der Schwerpunkt des Handelsgeschäfts der E-Commerce-Unternehmen spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Otto und Amazon mit Fokus auf dem Warenhandel über eigene Plattformen agieren strategisch ähnlich wie Alibaba und eBay, die als Betreiber von Marktplätzen andere Händler mit Verbrauchern zusammenbringen.

 

Mit Blick auf das Handelsvolumen, d.h. den Wert der über die Marktplätze und Handelsplattformen umgesetzten Waren, zeigt sich die Marktführerschaft der Alibaba Gruppe mit ihren Marktplätzen Alibaba.com, TMall und Taobao. Mit Alibaba ist in China ein E-Commerce-Gigant entstanden. Mit 129,9 Mrd. EUR übertrifft das Handelsvolumen das von Amazon (66,6 Mrd. EUR) und eBay (51,4 Mrd. EUR) im Jahr 2012 zusammen. Maßgeblichen Anteil daran hat die B2B-Plattform Alibaba.com.

Dieses Verhältnis relativiert sich allerdings mit Blick auf den Umsatz. Hier liegt Amazon mit 54 Mrd. EUR unangefochten auf Platz eins, gefolgt von eBay und dem E-Commerce-Geschäft der Otto Gruppe vor der Alibaba Gruppe mit rund 4,8 Mrd. EUR Umsatz. In diesen Zahlen spiegelt sich die Ausrichtung des Geschäfts wider. Während Amazon den überwiegenden Anteil der angebotenen Waren als Händler vertreibt, stellt Alibaba ausschließlich Plattformen für andere Händler zur Verfügung.

Darüber hinaus werden die Services in den Bereichen Logistik und Payments zum großen Teil als eigenständige Services angeboten. Das erlaubt es, sie unabhängig von Geschäften zu nutzen, die über die Plattformen und Marktplätze der E-Commerce-Händler initiiert werden. Auf diese Weise gelingt es, sie eigenständig und flexibel, d.h. in unterschiedlichem Grad der Fertigungstiefe, in andere Wertschöpfungsketten einzubinden.

 

Insbesondere die Payment Services spielen eine herausragende Rolle, da sie als unabhängige Services maßgeblich zum Geschäftserfolg der Unternehmen beitragen. Das zeigt sich beispielsweise im Falle von PayPal, das als wesentlicher Wachstumstreiber überproportional zum Wachstum von eBay beiträgt. Lag der Anteil von PayPal im Jahr 2009 bei 32% am Gesamtumsatz von eBay, so lag er im Jahr 2013 bei über 41%.

Wie auch im Fall von Alipay, dem zur Alibaba Gruppe zugehörigen Bezahldienst, liegt das Kalkül hierbei in zweierlei. Zum einen erschließen die Payment Services wesentlich den Markt mit, da die Möglichkeit zur Bezahlung das Pendant zur Möglichkeit des Kaufs von Gütern bildet “ gerade mit Blick auf den internationalen Handel mit seinen verschiedenen Währungen. Zum andern können diese Payment Services ebenso von anderen Plattformen genutzt werden. So wurden im Jahr 2011 bereits 49% des gesamten chinesischen E-Commerce über Alipay abgewickelt. Umgekehrt wiederum sorgt die enge Bindung an den Handel dafür, dass die Interessen der Händler wie der Verbraucher berücksichtigt werden und sich die Weiterentwicklung der Bezahldienste zumindest der Tendenz nach auf diese Bedarfe konzentriert, z.B. durch Innovationen in Richtung Mobile Payment.

Mit Blick auf Verbreitung und Funktionalität unterscheiden sich die einzelnen Payment Services zum Teil deutlich, zum Teil nur im Detail. Mit 300 Mio. Nutzern hat Alipay den höchsten Verbreitungsgrad, gefolgt von PayPal mit weltweit 128 Mio. Nutzern. Amazon Payments (2011) und Yapital (2013) geben keine Zahlen bekannt oder sind erst später gestartet.

Die grundlegende Funktion aller Payment Services ist zumindest im Online-Bereich ähnlich. Nutzer melden sich beim jeweiligen Dienst eigens an und hinterlegen dort ihre Konto- oder Kreditkartenkdaten, im Fall von PayPal und Alipay können sie zudem einen spezifischen Account aufladen und mit diesem Guthaben bezahlen. Das Enrollment “ also der Vorgang der Anmeldung bei einem entsprechenden Dienst “ unterscheidet sich zum Teil stark; der Vorgang der Bezahlung ist wieder ähnlich. Auch mit Blick auf die komplementären Händlerprozesse ähneln sich die Third Party Payment-Lösungen.

Alipay sticht allerdings aufgrund der logistischen Schwierigkeiten in China heraus, da die Bezahlung durch den Käufer erst nach Erhalt der Ware autorisiert wird. Insgesamt bieten die Services ähnliche Lösungen für die Herausforderung einer schnellen und für den Online-Bereich optimierten Verfügbarkeit über Liquidität. Die konkrete Ausgestaltung reflektiert dabei durchaus auf spezifische Marktgegebenheiten.

 

Abbildung 1: Payment Services Alipay, PayPal, Amazon Payments und Yapital

So weit zu erkennen ist, verfolgen alle Wettbewerber für ihre zukünftige Position im Markt das Ziel, ihre Payment Services weiter auszubauen, um damit in allen Kontexten des Bezahlens eine optimale Lösung bereitzustellen. Dieses Vorgehen bleibt dabei mit der Diversifizierung auch in Richtung der Handelsangebote verbunden. Alibaba treibt aktuell seine Internationalisierung in den US-amerikanischen Markt voran (unter dem Label “11Main.comœ und hinsichtlich eines Börsengangs), zugleich soll Alipay in ein Betriebssystem für Smartphones integriert werden. PayPal bietet mit PayPal Here und Beacon eine Lösung für den stationären Handel, die unter Nutzung unterschiedlicher Technologien die Zahlung am Point of Sale (POS) erlaubt. In eine ähnliche Richtung weisen auch die Ankündigungen von Amazon, das mit “Kindle Checkoutœ ein neues Produkt auf den Markt bringen will, und Yapital, das ebenfalls die Bluetooth Low Energy-Technologie (BLE) nutzen will. Im Fokus dieser Lösungen steht, ausgehend von der über Smartphones verfügbaren Online-Welt den Brückenschlag hin zur Offline-Welt zu schaffen.

Neben dieser Weiterentwicklung in Richtung Diversifizierung zeichnet sich aktuell als strategische Linie ab, dass die E-Commerce-Unternehmen ausgehend von ihren Payment Services zusätzliche, über Bezahldienste hinausreichender Banking und Financial Services aufbauen.

Dies betrifft zunächst Angebote im Segment Lending Operations. Im Bereich Konsumentenkredite etwa ist PayPal mit “BillMeLaterœ aktiv, während Amazon mit “Amazon Lendingœ und PayPal mit “Working Capitalœ ihren Online-Händlern seit 2012 respektive 2013 Finanzierungsoptionen bieten. Alibaba bietet kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs/SMEs) mit “Alifinanceœ den gleichen Service. Mit diesen Banking-Bausteinen komplettieren die E-Commerce-Player einerseits die Services ihrer Kunden mit Blick auf deren Liquidität, andererseits operationalisieren sie damit eines ihrer zentralen Assets: Da die E-Commerce-Unternehmen ein profundes Wissen über die Transaktionen und damit auch die Bonität ihrer Kunden haben, können sie diese Daten gezielt für das Risikomangement auch im Segment Lending Operations nutzen.

Auch im Segment Asset Management sind die Unternehmen aktiv. So offeriert Alibaba seit 2013 mit “Yu’E Baoœ einen bisher im Handelssektor ungewöhnlichen, aber an den Bedarfen der chinesischen Kunden ausgerichteten Service. Yu™E Bao ist ein offener Investmentfonds, in den der Kunde direkt über sein Zahlungs- und Benutzerkonto investieren kann. Die Kombination des Zahlungs- und Verrechnungskonto mit einem Hochzins-Investitionskonto lockt Investoren und Nutzer gleichermaßen, ihr Geld auf einer Art ertragreichem Tagesgeldkonto zu parken und die Erträge nicht zuletzt für Käufe im unmittelbar angeschlossenen Taobao-Portal zu verwenden. Aufgrund der sofortigen Verfügbarkeit des Geldes gibt es hier keinerlei Eintrittsbarrieren. Yu™E Bao verzeichnete zuletzt ein Wachstum von 200 Mio. Yuan (ca. 25 Mio. EUR) Mitte 2013 auf über 180 Mrd. Yuan (ca. 22 Mrd. EUR) bis Ende 2013.

Insgesamt zeigt sich, dass E-Commerce-Akteure den Bereich Banking und Financial Services zunehmend adressieren. Dafür nutzen die Unternehmen die technologischen Möglichkeiten, einzelne Services anzubieten und gegebenenfalls miteinander zu kombinieren. Sie denken Banking nicht vom organisatorischen Komplex einer Bank aus, sondern von flexibel in andere Wertschöpfungsketten integrierten Finanzservices. Auf dieser Basis formulieren sie ein zeitgemäßes, d.h. technologiegetriebenes modulares Banking-Angebot “ und realisieren damit einen neuen Typus Bank.

QUELLEN

eBay
http://www.reuters.com/finance/stocks/companyProfile?symbol=EBAY.O
http://investor.ebayinc.com/sec.cfm

Alibaba
http://news.alibaba.com/specials/aboutalibaba/aligroup/index.html
http://www.chinese-champions.com/alibaba-group/
http://img.alibaba.com/ir/download/201203/Full_2011_Annual_Report_ENG.pdf
http://investor.yahoo.net/annuals.cfm
http://www.economist.com/news/briefing/21573980-alibaba-trailblazing-chinese-internet-giant-will-soon-go-public-worlds-greatest-bazaar
http://www.thefinancialist.com/not-just-a-paypal-clone-chinas-internet-giants-chart-their-own-course/

Amazon
http://www.reuters.com/finance/stocks/companyProfile?symbol=AMZN.O
http://www.crunchbase.com/company/amazon
http://t3n.de/news/amazon-kindle-checkout-525859/

Otto Group
http://www.ottogroup.com/en/die-otto-group.php
http://www.ottogroup.com/de/die-otto-group/geschaeftsbericht.php

Study Credit Suisse
https://doc.research-and-analytics.csfb.com/docView…

FX rates
http://www.finanzen.net/devisen/euro-renminbi_yuan-kurs/historisch
http://www.wallstreet-online.de/devisen/dollarkurs/historische-kurse

 

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Artur Burgardt

Artur Burgardt
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Artur Burgardt ist Managing Partner bei CORE und spezialisiert auf das Management agiler Umsetzungsprojekte in komplexen Kontexten. Als ausgebildeter theoretischer Physiker sammelte er erste Berufs...

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Artur Burgardt ist Managing Partner bei CORE und spezialisiert auf das Management agiler Umsetzungsprojekte in komplexen Kontexten. Als ausgebildeter theoretischer Physiker sammelte er erste Berufserfahrung als Business Analyst bei großen Finanzdienstleistern und erwarb grundlegende Kenntnisse in der Entwicklung von Kernbankensystemen. Dieser Karriereschritt führte ihn zu CORE. Mit seinem umfangreichen Wissen verantwortet Artur neben den Projekten bei Klient:innen das Knowledge Management bei CORE.

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