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Shared Leadership als Baustein für den Erfolg agiler Vorgehensmodelle

Shared leadership as a key element to make agile methods work

KEY FACTS

  • Agile Methoden in verschiedenen Industrien weitflächig im Einsatz – angesichts steigender Marktdynamik von wachsender Bedeutung auch für Finanzindustrie

  • Adaption agiler Methoden durch hierarchische Organisations- und Teamstrukturen erschwert

  • Shared Leadership als wichtiger Baustein zur Förderung von Innovation in komplexen Umgebungen durch höhere Kreativität und schnellere Umsetzung

     

REPORT

Unternehmen greifen vermehrt auf agile Methoden zurück, um in komplexen und dynamischen Umwelten ihre Innovationsgeschwindigkeit zu steigern und Veränderungsprozesse zu steuern. Die Adaption dieser Methoden kollidiert in der Praxis jedoch häufig mit hierarchischen Strukturen innerhalb von Teams, welche Strukturen allein durch die Einführung neuer Rollen (z.B. Scrum Master) nicht hinreichend verändert werden. Unter dem Titel „Shared Leadership“ wird deshalb in jüngerer Zeit ein verändertes Führungskonzept diskutiert, um agiles Projektmanagement erfolgreich einzuführen.

Agiles Projektmanagement von zunehmender Relevanz

Die Digitalisierung führt in vielen Industrien zu einer deutlichen Dynamisierung. Ein immenses Tempo der Innovation und die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Kundenanforderungen stellen große Herausforderungen für viele Unternehmen dar. Diese sehen sich mit Blick insbesondere auf ihre Fähigkeit, die Anforderungen im Rahmen entsprechender Projekte umzusetzen, vor die Notwendigkeit gestellt, neue Methoden und Vorgehensmodelle anzuwenden.

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Abbildung 1: Nutzung von agilen Prodjektmanagement-Methoden

Auch die Finanzdienstleistungsbranche setzt – bedingt durch den Wunsch nach kürzeren Entwicklungszyklen – vermehrt auf agiles Projektmanagement. 43% der Führungskräfte im Finanzsektor sind der Auffassung, dass ihre IT-Abteilungen eine führende Rolle bei der Unterstützung der Agilität ihres Unternehmens spielen sollten. Gerade bei Online- und Mobile-, aber auch bei regulatorisch getriebenen Projekten stehen genaue (Kunden-)Anforderungen zu Beginn des Projektes oft nicht fest. Es müssen daher Lösungsansätze in noch unscharfe Lösungsräume hinein entwickelt werden. Hierzu eignen sich definitionsgemäß agile Vorgehensweisen besser als V-/Wasserfall-Modelle.
Agile Projektmanagement-Methoden wie Scrum oder XP ermöglichen, die Anzahl der Entwicklungszyklen und die Produktivität von Teams stark zu erhöhen. Die große Mehrheit von Unternehmen hat auch deshalb parallel zu ihrer produktseitigen Digitalisierung auf den Einsatz agiler Methoden umgestellt (siehe Abbildung 1). 2016 gaben in einer Umfrage 68% der befragten Projektmanager an, agile Methoden oft oder gelegentlich einzusetzen. Da agile Methoden originär aus der Softwareentwicklung stammen, überrascht es kaum, dass agile Vorgehensmodelle je häufiger eingesetzt werden, je näher sie mit IT-Themen verbunden sind. Insbesondere in Produktentwicklung, Prozessoptimierung sowie Einführung von ERP- und Standardsoftwaresystemen spielen agile Methoden zunehmend eine Rolle. Im Gegensatz zum sequenziellen Modell des klassischen, planungsorientierten Projektmanagements fördern agile Techniken die dynamische und flexible Gestaltung von Projekten und Prozessen.

Problematik Command-and-Control-Strukturen

Der zunehmende Einsatz agiler Projektmanagement-Methoden birgt Herausforderungen für die Zusammenarbeit von Teams. Dies zeigt sich in der Praxis häufig daran, dass agile Ansätze an den Command-and-Control-Strukturen der Unternehmen scheitern, die im Management wie in den Teams etabliert sind. Exemplarisch sei der zentrale Ansatz von Scrum genannt: So viel Ordnung und Struktur wie notwendig, so viel kreatives Chaos wie möglich. Die Mitglieder agiler Projektteams sollten in ihrer Arbeit große Freiheiten erhalten, um in kurzen Zyklen Prototypen zu entwickeln, zu testen und Fortschritte zu prüfen. Deshalb lebt agiles Projektmanagement vor allem von seiner Transparenz. Hierarchische Bürokratie und intransparente Methoden laufen dieser Entwicklung zuwider und sind in der Umsetzung hinderlich.

Da im agilen Projektmanagement auf selbstorganisierende Teams gesetzt wird, Partizipation und Entscheidungsfreiheit im Vordergrund stehen, sind autoritäre und hierarchische Leadership-Modelle – die in gewachsenen und größeren Strukturen häufiger vorzufinden sind – unzureichend. Trotz des Verlangens nach möglichst geringer Kontrolle bedeutet dies jedoch nicht, dass das Team gänzlich auf Führung verzichten sollte.

Shared Leadership als Teamstrukur

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Abbildung 2: Command-and-Control vs. Shared Leadership

Agile Projektteams benötigen eine sich von traditioneller Führung unterscheidende Art von Leadership, die statt eines hohen Kontrollbedürfnisses Vertrauen und Sicherheit übergewichtet. Diese Art der Kollaboration bedeutet keine generelle Abschaffung von Hierarchien und Strukturen, sondern die proaktive Zusammenarbeit von Teammitgliedern auf einer Vertrauensbasis, die ihre Kompetenzen im Interesse der Organisation bündelt. Diese veränderte Form der Organisation von Führung wird unter dem Begriff der „Shared Leadership“ diskutiert.

Wie durch verschiede empirische Studien belegt, kann Shared Leadership sich positiv auf die Leistungsfähigkeit und Effektivität von Teams auswirken, unter anderem durch höheren Informationsaustausch und Kollaboration sowie durch das Vertrauen und den Zusammenhalt, die durch das Teilen von Führung entstehen. Obwohl es bisher kaum Studien gibt, die explizit den Zusammenhang zwischen Shared Leadership und agilem Projektmanagement untersuchen, wird dieser zunehmend in neuesten Forschungsarbeiten thematisiert.

Eines der zentralen Prinzipien des agilen Projektmanagements lautet, dass Teams selbstorganisiert und möglichst ohne autokratische Führung arbeiten (Abbildung 2). Dagegen eignen sich Command-and-Control-Strukturen für Umsetzungsvorhaben in klar definierten Lösungsräumen, die jedoch durch den Wandel hin zu dynamischeren Ökosystemen immer seltener den Regelfall bilden. Agile Projektmanagementteams, die auf eine zentralisierte Führungsrolle verzichten, können ein höheres Maß an Selbstorganisation und Kreativität erreichen. Im Ergebnis bieten sie innovativere und bessere Lösungen im Kontext prinzipiell weniger strukturierter Lösungsräume.

 

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Abbildung 3: Synergien zwischen Shared Leadership und agilem Projektmanagement

Kreativität, Flexibilität und Schnelligkeit sind in einer technologiegetriebenen Industrie von zentraler Bedeutung. Um die Veränderungen ihrer Industrie erfolgreich zu gestalten, setzen auch Finanzinstitute auf agile Methoden. Für deren Einsatz müssen sie hierarchische Teamstrukturen aufgeben und demokratisieren. Geteilte Führung ist Voraussetzung, um das Potenzial agilen Vorgehens und Managements im Kontext dynamischer Ökosysteme zu nutzen.Im Shared Leadership-Modell wird Führung als eine dezentrale Funktion des Teams gesehen, die von mehreren Teammitgliedern zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgeübt werden kann. In einem solchen dynamischen Leadership-Prozess wird die Selbstorganisation des Teams gefördert, um Gestaltungsfreiheit und Kollaborationschancen zu maximieren (Abbildung 3). Das hohe Maß an Autonomie und Partizipation sowie die erhöhte Eigenmotivation wirken sich positiv auf Innovation, Produktivität und Teamleistungsfähigkeit aus. Agile Projektteams sollten daher ein solches geteiltes Führungsmodell reflektieren, denn gerade bei komplexen Veränderungsprojekten – bei denen eine hohe wechselseitige Abhängigkeit zwischen den Teammitgliedern besteht und ein vielfältiger Wissensaustausch unerlässlich ist – bietet sich das Führungsmodell des Shared Leadership an. Die drei Grundprinzipien der Selbstorganisation, Gestaltungsfreiheit und Kollaboration, durch die agiles Projektmanagement profitieren kann, können eine gemeinsame Grundlage für innovative, agile Zusammenarbeit bilden. Durch die Synergien kann Shared Leadership Projekten zu einem dynamischeren, adaptiveren und effektiveren Management führen.

QUELLEN

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Artur Burgardt ist Managing Partner bei CORE und spezialisiert auf das Management agiler Umsetzungsprojekte in komplexen Kontexten. Als ausgebildeter theoretischer Physiker sammelte er erste Berufs...

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Artur Burgardt ist Managing Partner bei CORE und spezialisiert auf das Management agiler Umsetzungsprojekte in komplexen Kontexten. Als ausgebildeter theoretischer Physiker sammelte er erste Berufserfahrung als Business Analyst bei großen Finanzdienstleistern und erwarb grundlegende Kenntnisse in der Entwicklung von Kernbankensystemen. Dieser Karriereschritt führte ihn zu CORE. Mit seinem umfangreichen Wissen verantwortet Artur neben den Projekten bei Klient:innen das Knowledge Management bei CORE.

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